Das versunkende Dorf

Bereits in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts reiften erste Ideen zum Bau einer Talsperre im Tal der Trieb, in der Nähe der Ortschaft Pöhl. Anfang der 1950er Jahre veranlasste der steigende industrielle Brauchwasserbedarf, die Überlegungen zum Talsperrenprojekt wieder aufzugreifen. Die enormen Schäden der Hochwasser im Einzugsgebiet von Weißer Elster und Göltzsch 1954 und 1955, zeigten die Notwendigkeit einer Talsperre zum Hochwasserschutz. Schließlich wurde der Beginn des Talsperrenbaus ab 01.01.1958 beschlossen und damit auch, das Dorf Pöhl den Fluten der Talsperre zu opfern.

Bauplanung und -vorbereitung

Ersten Überlegungen 1939 folgte 1942 der Planungsbeginn, kriegsbedingt unterbrochen dann Anfang der 1950er Jahre die Fortsetzung

Noch im Jahr der Fertigstellung der nahegelegenen Talsperre Pirk, 1939, gab es auch erstmalige Erwähnungen zum Bau einer Talsperre im Tal der Trieb, in der Nähe der Ortschaft Pöhl, für deren Größe und Standort zunächst mehrere Optionen untersucht wurden. Im Jahr 1942 wurden die Planungen zum Bau einer Talsperre mit zwei Vorsperren und einem Fassungsvermögen von 37 Mio. m³ erneut aufgenommen. Jedoch wurde dieses Vorhaben durch den Zweiten Weltkrieg verhindert.

Anfang der 1950er Jahre veranlasste der steigende Brauchwasserbedarf der Industrie im Mittel- und Unterlauf der Weißen Elster, insbesondere für die Anlagen der Wismutbetriebe im Raum Berga und Seelingstädt, die Wasserwirtschaftsdirektion das Talsperrenprojekt zu beschleunigen. Die Hochwasser der Jahre 1954 und 1955, die im Einzugsgebiet der Weißen Elster und Göltzsch enormen Schaden verursachten, bekräftigten die Notwendigkeit einer Talsperre zum Hochwasserschutz. So wurden die Pläne zum Bau einer Talsperre, für deren Lage das Triebtal als günstigste Variante angesehen wurde, erneut aufgenommen.

Die ersten Entwürfe sahen die Errichtung der Staumauer ca. 500 m vor dem Dorf Pöhl vor. Mit dieser Sperrstelle hätte sich ein Gesamtstauraum von 24,6 Mio. m³ ergeben. Es folgten weitere Beratungen, welche verschiedenste Konzepte zur Größe der Talsperre beleuchteten.

Am 23.10.1957 wurde während einer Sitzung zum Talsperrenprojekt im Gemeindeamt Pöhl schließlich bekanntgegeben, dass der Bau der Talsperre am 01.01.1958 beginnen würde und das Dorf Pöhl in den folgenden Jahren vollständig und unwiderruflich verschwinden müsse.

Damit war beschlossen, die Staumauer nach dem Dorf Pöhl zu errichten und das Dorf den Fluten der Talsperre zu opfern.

Baugeschehen

Am 1. Januar 1958 erfolgte der erste symbolische Spatenstich des Talsperrenbaus und bereits zwei Jahre später begann der Wasserstau

  • Betonierung der ersten Talfelder der Hauptsperre

  • Bau der Tosbeckenrandmauern

  • Sperrmauerbau wasserseitig

  • Herstellung der Krafthausdecke

  • Hauptsperre nach Beginn des Teilstaus

  • Sperrmauerbau luftseitig

  • Herstellung der Gewegauskragung der Talsperrenkrone

  • Bau der Spannbetonbrücke über den Überlauf

  • Eingeschalter Hochwasserüberlauf Vorsperre Neuensalz

  • Hauptsperre kurz vor Fertigstellung

  • Teilstau nach Fertigstellung

Bevor am 1. Januar 1958 der erste symbolische Spatenstich der Talsperre Pöhl erfolgen konnte, mussten zahlreiche vorbereitende Maßnahmen getroffen werden. Denn bis ins späte 19. Jahrhundert wurde an beiden Seiten der Trieb, zwischen den Orten Jocketa und Pöhl, Braun- und Spateisenerz zu Tage gefördert. Folglich gab es gerade im geplanten Bereich der Staumauer viele Schächte, Stollen sowie unterirdische Erzgänge, die gestörte Untergrundverhältnisse mit sich brachten.

Aus diesem Grund wurden 21 Kernbohrungen mit Tiefen zwischen 20 und 60 Metern, Probeinjektionen sowie 300 Meter Hammerbohrungen vorweg durchgeführt um die Wasserdurchlässigkeit und die Abdichtung des Untergrundes zu überprüfen. Sämtliche Schächte und Stollen im Sperrbereich wurden aufgewältigt und mit Beton aufgefüllt. Auch sämtliche Hohlräume im Untergrund, die einen unmittelbaren Einfluss auf die Standsicherheit der Sperrmauer ausüben oder einen unkontrollierten Wasserabfluss hätten ermöglichen können, wurden mit Beton vergossen. Aufgrund ingenieurgeologischer Voruntersuchungen stellte man fest, dass längs des wasserseitigen Mauerfußes eine Abdichtung des Untergrundes bis in 30 Meter Tiefe notwendig war.

Ab dem 1. März 1958 konnte schließlich der beauftragte VEB Talsperrenbau Weimar mit den Bauarbeiten an der Talsperre beginnen. Im April 1958 wurden erste Sprengarbeiten für das Fundament durchgeführt. Nachdem die Baustelle eingerichtet war, konnten die ersten Massenaushübe im Bereich der künftigen Sperrmauer vorgenommen werden. Insgesamt wurden für den Bau der Staumauer 105.600 m³ Aushubmassen bewegt. Im Beisein des Leiters des Amtes für Wasserwirtschaft beim Ministerrat erfolgte am 10.12.1958 die feierliche Grundsteinlegung der Staumauer.

Für den Bau der Staumauer wurden eine, über das gesamte Triebtal gespannte Kabelkrananlage sowie ein hoch aufragender Betonmischturm installiert. Die zur Herstellung des Betons notwendigen Zuschlagstoffe gewann man in einem nahe gelegenen Steinbruch, der extra zu diesem Zweck erschlossen wurde. Der Beton für den Bau der Mauer wurde in einer eigens dafür errichteten Mischstation hergestellt. Sie befand sich ca. 50 Meter vom heutigen Standort des Dienstgebäudes der Staumeisterei entfernt. Ab dem 31.03.1960 begannen die Betonarbeiten an der künftigen Sperrmauer. Per dampflokbespannter Feldbahn transportierte man den Beton in 2,6 m³ fassenden Kübeln auf einer Feldbahn zur Übergabestelle des Kabelkrans, welcher den Beton schließlich an die Einbaustelle beförderte. Es ergaben sich daraus Transportentfernungen von 50 m – 350 m. Der letzte Betonblock wurde am 2. August 1962 gegossen. Insgesamt wurden in das Bauwerk 160.000 m³ Beton eingebracht.

Bereits im Juli 1960 hatte man begonnen das Wasser anzustauen. Der offizielle Teilstau, zu dessen Zweck auch die Grundablässe geschlossen wurden, begann schließlich 1961. Im Februar 1962 erreichte die überstaute Fläche eine Länge von 2 km, eine Breite von 600 m sowie eine Tiefe von 12 m. Im Februar 1964 konnte man einen Stauinhalt von 36 Mio. m³ verzeichnen.

Die Talsperre Pöhl wurde schließlich am 2. Oktober 1964 durch den Leiter des Amtes für Wasserwirtschaft beim Ministerrat der DDR offiziell eröffnet.

Der Bau der wasserwirtschaftlichen Anlagen einschließlich der Hauptsperrmauer, zweier Vorsperren, eines Verwaltungsgebäudes mit technischen Einrichtungen, Wohnhäusern für die Arbeiter und Angestellten sowie aller Folgemaßnahmen verschlangen eine Summe in Höhe von umgerechnet 46 Mio. Euro.

Die Chronik des Talsperrenbaus

Zahlen, Daten, Fakten

1958

Januar

symbolischer Spatenstich am 01.01.

 

April

Beginn der Sprengarbeiten für das Fundament der Staumauer

 

Dezember

feierliche Grundsteinlegung am 10.12.

     

1959

März

Beginn der Betonarbeiten an der Staumauer am 31.03.

     

1960

Mai

am 28.05. sind bereits 50.000 m³ Beton in die Staumauer eingebracht

 

Oktober

Inbetriebnahme des Tosbeckens

 

November

am 02.11. sind 90.000 m³ Beton in die Staumauer eingebracht

     

1961

Juni

am 17.06. hat die Staumauer eine Höhe von 50 m erreicht

   

am 18.06. sind 130.000 m³ Beton in die Staumauer eingebracht, Grundablässe werden geschlossen, der offizielle Teilstau beginnt

   

Im Laufe des Jahres setzen die Bauarbeiten an den Vorsperren Thoßfell und Neuensalz ein

     

1962

Februar

Die im Februar angestaute Fläche ist 2 km lang, 600 m breit und 12 m hoch

 

August

am 02.08. wird der letzte Betonblock gegossen

 

Oktober

am 07.10. wird die Talsperre der Wasserwirtschaft zur Nutzung übergeben

     

1963

November

Die Stauhöhe im November beträgt 30 m, der Stauinhalt 24 Mio. m³

     

1964

Februar

Stauinhalt beträgt 36 Mio. m³

 

Oktober

am 02.10. erfolgt die offizielle Einweihung der Talsperre Pöhl

Versunkenes Dorf Pöhl

Die Talsperre Pöhl wurde nach jenem Dorf benannt, welches ihren Fluten zum Opfer fiel - dem Dorf Pöhl

Das Dorf Pöhl

Beginn des Baus der Hauptsperre

Während der Planungen zum Bau einer Talsperre im Engtal der Trieb äußerten sich die öffentlichen Vertreter nur wenig über die Zukunft des Dorfes Pöhl und ließen seine Einwohner lange Zeit im Ungewissen. Eine derartige Aufschiebung und Vertuschung problematischer Sachverhalte war typisch für die Haltung staatlicher Stellen der DDR.

Die Bewohner Pöhls versuchten indes für den Erhalt ihres Dorfes zu kämpfen und eine Sperrstelle oberhalb des Dorfes zu erwirken. Jedoch verfolgten die Staatsvertreter mit dem Bau der Sperrmauer im Engtal der Trieb und somit nach dem Dorf Pöhl eine weniger kostspielige Variante, welche schließlich in der Kreistagssitzung am 20.09.1956 besiegelt wurde.

Um den größtmöglichen Stauraum zu erzielen, nahm man in Kauf, das mittelalterliche Bauerndorf mit Schloss, Rittergut, Kirche, Schule, Mühle, einer Eisengießerei, Bauerngehöften und kleineren Anwesen zu fluten. Unmittelbar waren 530 Personen und 221 Haushalte, davon 10 Gewerbetreibende, vom Talsperrenbau betroffen. Die letzten Bewohner verließen Pöhl Mitte Mai 1961.

Die leerstehenden Gebäude wurden für einen geringen Preis zum Abriss an interessierte Bürger aus Pöhl verkauft, um billiges Baumaterial zu beschaffen. Die Grundmauern der ca. 70 Anwesen des alten Dorfes Pöhl existieren noch immer und treten bei extremen Niedrigwasser zum Vorschein, wie es 1988 und im Winter 2000/01 der Fall war.

Alles in allem forderten die Umsiedlungsaktion der Gemeinde Pöhl einen Kostenaufwand in Höhe von 10 Mio. DDR Mark. Am 1. August 1961 wurde die politische Gemeinde Pöhl schließlich per Kreistagsbeschluss aufgelöst. Der 31. Juli 1961 gilt somit als letzter Tag in der Geschichte Pöhls.

Nähere Informationen zum versunkenen Dorf Pöhl erhalten Sie von Pöhls Ortschronist Steffen Fischer während der Themenschifffahrt „Reise ins versunkene Dorf Pöhl“.